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Das ist ja wohl kriminell!

Der bundesdeutsche Gesetzesdschungel wird durch das zum Jahresauftakt in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Stückchen undurchdringlicher. Das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ erhitzt die Gemüter. „Zensur“ empören sich die einen, die anderen loben es als Heilsbringer gegen Hass und Hetze im Internet. Orientierung muss her.

Vogelfigur mit Brille betrachtet ein Lexikon Drum prüfe, wer da ewig poste, ob es nicht gegen Recht verstoße

Im Internet ist oft der Hass los. Hetze und Diskriminierung verbreiten sich in sozialen Netzwerken, Foren und Kommentarspalten. Doch Hate Speech ist keine Meinung – und muss gekontert werden, um sich nicht weiterzuverbreiten. Hier erwirbt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz: NetzwerkDG) Pluspunkt Nr. 1: Endlich wird das Thema auch juristisch deutlich wahrgenommen. Pluspunkt Nr. 2: Facebook & Co. müssen bei ihrem Umgang mit Hate Speech nach deutschem Recht entscheiden. Sie sind aufgrund des Gesetzes verpflichtet, eine/n verantwortliche/n Ansprechpartner_in in Deutschland zu benennen, der sich mit der Beschwerde über illegale Inhalte befasst. Das ermöglicht und schützt Meinungsfreiheit und -vielfalt im Netz, so die Befürworter_innen.

Für die Gegner_innen ist genau das Gegenteil der Fall: Zeitdruck und hohe Bußgelder führen ihrer Ansicht nach dazu, dass auch erlaubte Beiträge vorsorglich gelöscht werden. Der Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbands Bitkom findet deutliche Worte: „Das NetzDG ist eine Mogelpackung. Es führt nicht zur Rechtsdurchsetzung, sondern zu amtlich verordneter Strafvereitelung“, so Bernhard Rohleder. Nach Ansicht des Verbandes verstößt das Gesetz gegen das Grundgesetz und gegen EU-Recht.*1

So soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz funktionieren

Facebook & Co. haben ab sofort mehr zu tun: Um nicht gegen das NetzwerkDG zu verstoßen, müssen „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ in ihren Netzwerken innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde gelöscht werden. Über die Löschung anderer rechtswidriger Inhalte muss innerhalb von sieben Tagen entschieden werden. Doch wer soll das entscheiden? Wer trägt dafür Sorge, dass die Angestellten des Unternehmens über ausreichende juristische Kenntnisse verfügen? Denn es ist gar nicht so leicht, einzuschätzen, ob ein Posting die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ darstellt und damit nach § 89a StGB strafbar ist oder ob es sich nach §126 StGB um die „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ handelt.

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Und was passiert, wenn Postings ungerechtfertigt gelöscht werden? Wenn also Nutzer_innen zum Beispiel aus politischen Gründen viele Beiträge melden, die tatsächlich nicht rechtswidrig sind? Dafür hat das NetzwerkDG keine Lösung parat.

Löschen, und wenn nicht?

Wird ein rechtswidriger Inhalt trotz Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Fristen weder gelöscht noch gesperrt, können sich die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer an das Bundesamt für Justiz (BfJ) wenden: auch das per Onlineformular. Das BfJ prüft dann „die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen systemischer Mängel im Beschwerdemanagement“*2. Erfüllen die Anbieter sozialer Netzwerke ihre Pflichten nicht, sind übrigens Maximalstrafen von 50 Millionen Euro für Firmen und fünf Millionen Euro für einzelne Mitarbeiter*innen vorgesehen. Das verleitet zu der Vermutung, dass der Fall des Nicht-Löschens oder Nicht-Sperrens eher selten sein wird.

Apropos Beschwerdemanagement: Wenn die großen Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern mehr als 100 Beschwerden über illegale Inhalte pro Jahr registrieren, müssen sie halbjährlich Berichte über den Umgang mit den Beschwerden erstellen. Allerdings können Beschwerden nicht wahllos eingereicht werden: So droht Twitter beispielsweise mit dem dauerhaften Sperren des Accounts, wenn falsche Rechtsbeschwerden eingereicht werden.

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Der Europäischen Kommission*3 geht das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz noch nicht weit genug. Sie fordert „proaktive Maßnahmen“ von den Online-Plattformen statt „nur“ deren Reaktion auf Postings. Online-Anbieter als Internet-Sheriffs? Wie genau soll das gehen?

Alles in allem bleibt bereits beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein schales Gefühl.  Zu vieles ist nicht konsequent zu Ende gedacht. Hass und Hetze im Internet sind große Probleme, zu groß, um den Kampf dagegen an private Anbieter abzutreten. Wir als Gesellschaft sind gefragt, wir müssen Lösungen finden, wie wir mit Hate Speech umgehen und wie wir kommunizieren wollen. Das bedeutet auch, uns dem digitalen Zeitalter zu stellen, Medienkompetenz zu entwickeln uns sie in allen Bildungsangeboten selbstverständlich an Kinder und Jugendliche weiterzugeben.

*1 https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/NetzDG-Ab-11-wird-ein-verfassungswidriges-Gesetz-umgesetzt.html vom 05.01.2018

*2 https://www.bundesjustizamt.de/DE/Presse/Archiv/2017/20171227.html?nn=3452270 vom 05.01.2018

*3 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=COM:2017:555:FIN&from=EN (Punkt 9) vom 05.01.2018

#bigdata #hatespeech

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geschrieben von: Eva Schwarz

Als Volljuristin und Mitinhaberin einer Text- und Internetagentur ist der Weg zum Medienrecht recht kurz. Das 2021 erworbene Hochschulzertifikat "Internet- und Medienrecht" teert diesen Weg mit neuesten Kenntnissen in einem dynamischen Rechtsgebiet. Die gewaltfreie Kommunikation schätzt die zertifizierte Konfliktcoachin als neuen Weg für mehr Empathie und friedliches Miteinander auch in der digitalen Welt.

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