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Mehr Fortschritt wagen?! Digitaler Aufbruch im Koalitionsvertrag

Auch ein Koalitionsvertrag kommt nicht mehr ohne den Passus „Digitales“ aus. Gleich auf Seite 8 geht es los mit dem modernen Staat, digitalem Aufbruch und Innovationen. Ein deutliches Signal – und zu tun gibt es ja wirklich einiges. Mal sehen, was sich die Ampel-Koalitionäre vorgestellt haben.

Digitale Pflänzchen muss man gießen - Bild: Teona Swift auf Pexels

Zuerst liefern sie ein grundsätzliches Statement: Das Potenzial der Digitalisierung in Staat und Gesellschaft besser besser nutzen zu wollen, steht ganz vorne an. Was immer dieses Potenzial im Einzelnen so ganz genau ist – die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard ist ein (hoffnungsvolles) Ziel. Dass die neue Regierung „Lust auf Neues “ hat und „technologische, digitale, soziale und nachhaltige Innovationskraft befördern“ will, passt dann ganz gut. Vielleicht bedeutet das sogar, dass jetzt die Schulen mit den neuesten Geräten versorgt werden und digital richtig in Schwung kommen.

Nicht weniger als ein „Jahrzehnt der Bildungschancen“ beabsichtigen die Regierungsparteien einzuleiten, und zwar – unter anderem – mit Stärkung der frühkindlichen Bildung, besseren Startchancen in sozial benachteiligten Schulen und dem Digitalpakt 2.0.

Digitalpakt Schule für ein „Jahrzehnt der Bildungschancen“

Dafür sollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützt werden. Zum Beispiel dadurch, dass der Mittelabruf beim Digitalpakt Schule beschleunigt und entbürokratisiert wird. Schon im ersten Halbjahr 2022 sollen Bund, Länder und Kommunen Vorschläge für kurzfristige Lösungen liefern und die erforderlichen Umsetzungsschritte planen. Ein guter Gedanke ist es, vor Ort Service-, Beratungs- und Vernetzungsangebote zu schaffen.

Der Digitalpakt 2.0 wird auch die „nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration“ umfassen. Bedürftige Schüler*innen sollen von digitaler Lernmittelfreiheit profitieren. Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten soll gefördert werden und eine Anlaufstelle für das Lernen und Lehren in der digitalen Welt entstehen. Klingt gut, aber schwammig – es bleibt abzuwarten, wie das in der Praxis aussehen kann. Beim Erstellen von Positivlisten datenschutzkonformer, digitaler Lehr- und Lernmittel, dem Entwickeln intelligenter, auch lizenzfreier Lehr- und Lernsoftware sowie digitaler Programmstrukturen will der Bund gemeinsam mit den Ländern Unterstützung leisten. So kann digitaler Unterricht mehr werden als das Hin- und Herschicken einer pdf-Datei.

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Bürger_innenrechte und IT-Sicherheit

Alle, denen Alexa und Co. immer ein unbehagliches Gefühl vermittelten, sollen sich wohl wohler fühlen mit dem Statement der Koalitionsparteien: „Wir stärken digitale Bürgerrechte und IT-Sicherheit. Sie zu gewährleisten ist staatliche Pflicht.“ Ob es nützt, bleibt noch fraglich, jedenfalls soll eine Menge für mehr Sicherheit getan werden, z.B. soll ein Recht auf Verschlüsselung entstehen und ein wirksames Schwachstellenmanagement mit dem Ziel Sicherheitslücken zu schließen, verpflichtend sein. Die Vorgaben „security-by-design/default“ sollen eingeführt werden. Das bedeutet, dass Sicherheitsanforderungen an Soft- und Hardware bereits im Lauf der Entwicklung technisch integriert werden (security by design) und Werkseinstellungen datenschutzfreundlich sein müssen (default). Allerdings ist das keine bahnbrechende Nachricht, sondern bereits in der Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) so vorgesehen.

Auch der Staat wird übrigens im Koalitionsvertrag verpflichtet, echte verschlüsselte Kommunikation anzubieten. Spannend wird, auf welche Summen sich die Haftung der Hersteller für Schäden, die fahrlässig(!) durch IT-Sicherheitslücken in ihren Produkten verursacht werden, belaufen wird. Noch etwas für die rechtlich Interessierten: Die Cybersicherheitsstrategie und das IT-Sicherheitsrecht werden weiterentwickelt.

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Nachhaltige Digitalisierung

Digitalisierung kann auch nachhaltig sein, z.B. wenn – wie vorgesehen – sogenannte digitale Zwillinge (z. B. die Arbeit an einem virtuellen Modell eines analogen Produkte) gefördert werden, um Ressourcen zu schonen. Auch Rechenzentren in Deutschland sollen sich zukünftig auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausrichten, u. a. durch Nutzung der Abwärme.

Digitale Gesellschaft für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Zusammenhalt statt Hassrede, Fake News, Verschwörungstheorien, die unsere Gesellschaft belasten, ist fast zu schön, um wahr zu sein. Doch die neue Regierung die Arbeit zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus fortsetzen, inhaltlich weiterentwickeln und sie nachhaltig finanziell absichern. Geplant ist die Entwicklung einer Strategie für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Demokratieförderung sowie Extremismusprävention und die Stärkung der Arbeit gegen Hass im Netz und Verschwörungsideologien. Verpflichtende Uploadfilter soll es allerdings nicht geben.

Vieles zum Themenbereich Digitalisierung im Koalitionsvertrag hört sich schwungvoll und engagiert an, manches muss konkretisiert werden und das Ergebnis bleibt logischerweise abzuwarten. Denn zunächst müssen die Parteivorsitzenden in ihren Parteien für Zustimmung werben – und in der nächsten Legislaturperiode entsprechende Gesetze durchgebracht werden.

Blättern Sie hier einmal durch den Koalitionsvertrag

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geschrieben von: Eva Schwarz

Als Volljuristin und Mitinhaberin einer Text- und Internetagentur ist der Weg zum Medienrecht recht kurz. Das 2021 erworbene Hochschulzertifikat "Internet- und Medienrecht" teert diesen Weg mit neuesten Kenntnissen in einem dynamischen Rechtsgebiet. Die gewaltfreie Kommunikation schätzt die zertifizierte Konfliktcoachin als neuen Weg für mehr Empathie und friedliches Miteinander auch in der digitalen Welt.

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