Mein(e) Lehrer*in heißt YouTube
Spätestens seit dem CDU-Bashing-Video von Rezo und der verklemmten Reaktion der CDU, sollte allen klar geworden sein, wie einflussreich die sogenannten Influencer heute sind. Eine aktuelle Studie zeigt, dass YouTube auch der beliebteste Nachhilfelehrer unter Jugendlichen ist.
Der Rat für kulturelle Bildung hat sich dafür interessiert, wie Jugendliche eigentlich YouTube nutzen. Dafür wurden rund achthundert 12-19-Jährige interviewt. Im Mittelpunkt standen dabei das Kulturinteresse und die kulturellen Aktivitäten der Jugendlichen auf YouTube – der derzeit erfolgreichsten digitalen Webvideo-Plattform im Internet. Die Studie zeigt, dass tatsächlich eine neue Bildungskonstellation entstanden ist, mit deutlichen Folgen für Lernen und Bildung von Schüler*innen, aber auch für Schule und Unterricht.
YouTube – so ein Fazit der Studie – ist „Leitmedium und digitaler Kulturort für Jugendliche“. Was bedeutet das konkret? Zuerst einmal: Fast alle sind dabei, denn 86 % der befragten Jugendlichen nutzen YouTube. Die allermeisten fühlen sich durch das, was sie sehen, nicht nur gut unterhalten, sondern auch angeregt und motiviert, selbst (auf YouTube oder im „real life“) aktiv zu werden.
Für fast die Hälfte der Jugendlichen sind YouTube-Videos auch für schulische Belange wichtig. Sie lassen sich erklären, was sie im Unterricht nicht verstanden haben und nutzen die Videos für ihre Hausaufgaben und um ihr Wissen zu vertiefen. Damit ist YouTube ein wichtiger neuer Akteur, der als Hilfs- und Nachhilfelehrer*in in der Wissensvermittlung und kulturellen Bildung extrem aktiv ist. Allerdings entzieht sich die Plattform einer externen Qualitätskontrolle oder sonstigen steuernden Eingriffen von außen. Gesehen wird, was gefällt. Die Klickrate ist der Erfolgsfaktor. Die Schwarmintelligenz übernimmt die Steuerung. Besonders wichtig sind Tipps von Freund*innen, um interessante Inhalte zu finden.
Natürlich gibt es auch ein YouTube-Video mit Original-Stimmen und natürlich haben wir das datenschutzkonform eingebunden. Klicken Sie auf das Bild, um das YouTube-Video zu aktivieren.Haben die Schulen versagt?
Eins vorweg: Die meisten Jugendlichen wissen den Unterricht in der Schule durchaus zu schätzen und rennen nicht blindlings ihren YouTube-Idolen hinterher. Der größte Vorteil der Schule besteht nach ihrer Ansicht im persönlichen Kontakt und Austausch mit Lehrer*innen und Mitschüler*innen. Aber hat ein Bildungssystem nicht versagt, wenn massenweise digitale Nachhilfe notwendig ist? Ja und nein. Nein in dem Sinne, dass es Formen der Nachhilfe, ob durch Eltern, Freund*innen oder bezahlte Einrichtungen schon immer gegeben hat. Unterricht für rund 30 Schüler*innen kann nicht alle gleichermaßen erreichen. Um das zu verändern, müsste das Schulsystem sehr grundlegend auf den Prüfstand.
Das Versagen der Schule liegt aktuell vielmehr darin, den Lebenswirklichkeiten der Schüler*innen in vielen Fällen nicht gerecht zu werden – und das oft auch gar nicht zu wollen. Nur wer eine Vorstellung davon hat, wie diese digitalen Kulturorte funktionieren, was die Inhalte, die Darstellungsformen und die Erfolgskriterien sind, der/die kann auch fundiert Medienkompetenz vermitteln.
Im Fall von YouTube wäre das vor allem die Thematisierung des Geschäftsmodells von Google, das auf die Zahl der Klicks, die Dauer des Aufenthalts und die durch Algorithmen gesteuerte Werbung aufbaut. Es macht eben einen Unterschied, ob ein Influencer, der letztlich kommerziell von Klickrate und Werbung abhängt, Inhalte vermittelt oder ein(e) verbeamtete(r) Lehrerin in einem staatlich kontrollierten Bildungssystem.
Treiben Sie sich bei YouTube rum
Die Studie sollte also in erster Linie ein Ansporn sein, zu verstehen, was Jugendliche an dieser Web-Plattform fasziniert und ihnen eine kritische Reflexion zu ermöglichen. Der Aufruf an alle Lehrer*innen, Eltern und pädagogische Fachkräfte kann also nur lauten: Treiben Sie sich auf YouTube rum, nutzen Sie die Möglichkeiten und machen sie es ggfs. auch besser, aber ignorieren Sie die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen nicht länger!
Die komplette Studie mit allen Handlungsempfehlungen können Sie hier herunterladen.
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