Die dunkle Seite der Macht
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzwerkDG) hat gegeben und genommen. Je nach Standpunkt wird Meinungsfreiheit beschränkt oder erweitert, Strafvereitelung rechtlich vorgeschrieben, Schnüffelei vorangetrieben und Ironie und Satire ein für allemal verbannt. Die bisherige Lösch-Praxis ist jedenfalls von Pleiten, Pech und Pannen überschattet. Ist ja auch alles nicht so einfach.
Dass Bundesjustizminister Maas mit dem NetzwerkDG hoheitliche Aufgaben in die Hand privater Anbieter legt, ist nur einer der Punkte, die ihm die Kritiker des Gesetzes vorwerfen. Doch er zieht weitere Fragen nach sich: Um nicht gegen das NetzwerkDG zu verstoßen, müssen „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ in ihren Netzwerken innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde gelöscht werden. Über die Löschung anderer rechtswidriger Inhalte muss innerhalb von sieben Tagen entschieden werden. Wie sieht es mit der Fähigkeit derjenigen aus, die für die Frage „Löschen oder Nichtlöschen“ zuständig sind, juristische Sachverhalte zu beurteilen?
Möge das Recht mit Dir sein
An den Paragraphen, die das NetzwerkDG benennt und die beachtet werden müssen, dürften sich auch zahlreiche Jurist_innen bereits die Zähne ausgebissen haben. Alle, die tapfer genug sind, können hier in die Tiefen des Strafgesetzbuches (StGB) abtauchen:
- §§ 86, 86a: Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
- § 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
- § 91 Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
- § 100a Landesverräterische Fälschung
- § 111 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten
- § 126 Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
- §§ 129 bis 129b Bildung krimineller Vereinigungen, Bildung terroristischer Vereinigungen, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung
- §§ 130, 131 Volksverhetzung, Gewaltdarstellung
- § 140 Belohnung und Billigung von Straftaten
- § 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
- § 184b in Verbindung mit §§ 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 StGB Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften, Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung, Verletzung des höchstpersönlichen Bereichs durch Bildaufnahmen, Bedrohung oder Fälschung beweiserheblicher Daten
Overblocking an der Battlefront
Dass angesichts dessen von den Mitarbeiter_innen der Anbieterunternehmen allzu fleißig gelöscht wurde, liegt auf der Hand. Denn was „offensichtlich rechtswidrig“ ist und daher innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden muss, können selbst Rechtsgelehrte nicht ohne Weiteres so fix entscheiden.
In der Berliner Zeitung vom 22.01.2018 können einige Beispiele fragwürdiger Tweets inklusive juristischer Bewertung nachgelesen werden.
Eine gute Möglichkeit zu überprüfen, wie es mit der eigenen rechtlichen Beurteilungsfähigkeit aussieht. Na, dann: „Viel zu lernen Du noch hast.“