Computerspiel und Sorgerecht
Fragen Sie sich als Erziehungsberechtigte auch manchmal, wie Sie Ihrem Kind ein bestimmtes Spiel – etwa mit überwiegend gewalttätigem Inhalt – verbieten können, wenn doch „alle anderen“ es spielen dürfen? Oder bemerken Sie als Lehrer*in, dass ein Kind zuhause ein völlig ungeeignetes Computerspiel spielen darf? Nun hat ein Familiengericht ratlosen Eltern strenge Auflagen für die Computerspielnutzung ihres Kindes erteilt. Taugt die Begründung zum Argumentationsleitfaden?
Kurz zum Fall: Im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens vor dem Familiengericht beim Amtsgericht Bad Hersfeld stellt sich heraus, dass das 10-jährige Kind auf seiner Playstation regelmäßig Computerspiele, die erst ab 18 Jahren freigegeben sind, wie etwa Grand Theft Auto V (GTA 5) mit extrem gewaltsamen Szenen spielt.
Die Eltern wissen nicht, wie sie dagegen vorgehen sollen. Die Mutter behauptet, sie sei nicht in der Lage, ihrem Kind das Spiel ohne eine gerichtliche Entscheidung zu verbieten.
So steht es geschrieben
Das Gericht (AG Bad Hersfeld v. 27.10.2017 – 63 F 290/17 SO) gibt daraufhin eine strenge Linie vor:
- Die Computerspiele, die das Kind bereits besitzt und die erst ab 18 Jahren freigegeben sind, müssen dem Kind weggenommen werden. Die Eltern dürfen ihm diese Spiele nicht mehr zugänglich machen.
- Sämtliche Videospiele, die als „USK* ab 18“ eingestuft sind, dürfen dem Kind nicht zugänglich gemacht werden und nicht zum Spielen zur Verfügung gestellt werden.
- Solche Spiele dürfen dem Kind auch dann nicht überlassen werden, wenn diese noch von gleichaltrigen Freunden oder Klassenkameraden gespielt werden und das Kind befürchtet, zum Außenseiter zu werden.
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes besagt, dass Eltern die Pflicht zur „Pflege und Erziehung der Kinder“ haben. Weiter heißt es, dass die staatliche Gemeinschaft über ihre Betätigung wacht, auch „Wächteramt des Staates“ genannt. Der Schutzauftag umfasst das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes.
Schutzauftrag des Staates
Im vorliegenden Fall hat das Familiengericht das Wächteramt übernommen. Gemäß § 1666 BGB hat es „jene Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefahr für das Kind erforderlich sind, wenn die Eltern des Kindes nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr selbst abzuwenden„.
Das Gericht sieht in der Nutzung von frei zugänglichen Konsolen-Spielen mit überragend gewalttätigem Inhalt eine Gefahr für das seelische Wohl des Kindes. Unter anderem kommt es, so das Gericht, bei dem Spiel „GTA 5“ zu einer nicht umgehbaren Folterszene. Dabei sei das bloße Ansehen bereits entwicklungsgefährdend, umso mehr das Durchleben der Spielszenen. Genau deshalb gebe es eine Alterfreigabe erst ab 18 Jahren.
Der Einwand der Mutter, dass das Spiel (wie auch „Call of Duty) auch durch viele andere Kinder im Alter ihres Sohnes gespielt werde, fegt das Gericht als bloße Schutzbehauptung vom Tisch. Außerdem sei das noch lange keine Rechtfertigung, ihr Kind einer derartigen, es „seelisch massiv beeinträchtigenden, gewaltpräsentierenden und zur Abstumpfung und Verrohung führenden Ab-18-Erwachsenen-Videospielewelt“ auszusetzen.
Diejenigen, die befürchten, dass ein Kind aus Nachbarschaft oder Schule eben dieser „Erwachsenen-Videospielewelt“ ausgesetzt wird, kann der Beschluss ermutigen, sich an Jugendamt oder Polizei zu wenden. Auch in der Diskussion mit dem eigenen Kind dürften die Vorgaben des Gerichts als Argument verbindlicher wirken als das bloße „Wir möchten nicht, dass Du das spielst.“
Alternativen statt Verbote
Dennoch: Dauerhaft hilft der Beschluss des Gerichts im Familienalltag wohl keinem weiter. Verbote alleine sind noch keine sinnvolle Argumentation.
Unterm Strich brauchen Erziehungsberechtigte Aufgeschlossenheit für digitale Medien und medienpädagogisches Verständnis. Sie müssen in der Lage sein, gemeinsam mit dem Kind sinnvolle Alternativen zu brutalen Ego-Shooter-Games aufzuspüren. Altersgemäße Online-Spiele oder Apps, die Spaß machen und sich vielleicht sogar positiv auswirken, gibt es genug.
*Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)/freiwillige Selbstkontrolle der Computerspielewirtschaft /verantwortlich für Prüfung von Computerspielen in Deutschland, www.usk.de
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