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Kinderschreck – Handy weg. Wenn Eltern das Smartphone ihres Kindes einbuchten

Krach zwischen Eltern und Kinder ist normal. Anlässe gibt es dazu tausendfach, nicht nur, was die Dauer der Mediennutzung angeht. Oft spielt das Smartphone – unabhängig vom Streitthema – eine letzte große Rolle, wenn „alle Stricke reißen“. Kurzerhand kassieren Eltern zur Strafe das geliebte Handy des Kindes ein. Um sich Minuten später und mit etwas kühlerem Kopf zu fragen: Dürfen wir das überhaupt?

Warte nur: Wenn Du ins Altersheim kommst, nehm ich Dir auch Dein Handy weg!

Trösten Sie sich: Solange Sie Ihrem Kind das Smartphone noch nicht zurückgegeben haben, kann es diese Frage nicht selbst googeln, aber Sie! Und die Antwort lautet: Ja, Sie dürfen, aber…

Nach § 1626 BGB haben Eltern die Personenfürsorge für ihre Kinder. D.h. sie haben das Recht und sogar die Pflicht, für die Person (und das Vermögen) des Kindes zu sorgen. Genauere Regeln und Maßnahmen dazu hat sich der Gesetzgeber verkniffen, um das elterliche Erziehungsrepertoire nicht zu beschränken.

Das bedeutet aber nicht, dass Eltern sich ihren Kinder gegenüber benehmen können wie sie wollen: die Grenze ist dort, wo Gewalt ins Spiel kommt. Denn Kinder haben das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen. Das sieht (erst seit 2000!) das BGB ausdrücklich vor, es ist aber auch in den Kinderrechten festgeschrieben.

Daraus ergibt sich, dass der Handyentzug möglich ist, solange er als sinnvolle, pädagogische Maßnahme eingesetzt wird, so die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltsvereins.*

Hierüber dürften Eltern und Kinder zwar unterschiedlicher Meinung sein, ein Rechtsanspruch des Kindes auf Herausgabe des Handys besteht dennoch nicht. Eltern dürfen ihrem Kind – als sinnvolle, pädagogische Maßnahme – das Smartphone sogar dann wegnehmen, wenn Sohn oder Tochter es mit ihrem Taschengeld selbst gekauft haben, und es auch ein bis zwei Wochen behalten.

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Es kann sogar zulässig sein, das Handy über einen längeren Zeitraum jeden Abend zu einer bestimmten Zeit einziehen, z.B. damit das Kind ausreichend Schlaf bekommt.

Handyentzug: Gewalt?

Gewalt hat viele Formen. § 1631 BGB untersagt neben der physischen auch die psychische Gewaltanwendung. Demnach ist der Handyentzug nicht zulässig, wenn er lediglich aus Lust und Laune vorgenommen wird, um dem Kind einmal zu zeigen, wer das Sagen hat. Das Einkassieren eines Handys muss immer eine Maßnahme mit pädagogischer Zielsetzung sein. Reine Schikane fällt nicht darunter!*

Dennoch bleibt der Handy-Entzug fragwürdig, denn über Smartphones laufen wesentliche soziale Kontakte ab, Verabredungen werden getroffen, Pausen-Gesprächsstoffe aus Online-Spielen oder anderen Online-Inhalten gezogen, Fragen zu Hausaufgaben gestellt und Freundschaften über soziale Netzwerke geschlossen oder vertieft. Heutzutage kann Ihr Kind hier schnell den Anschluss verpassen.

Noch fragwürdiger wird das Einbuchten des Handys, wenn es auf ein Fehlverhalten folgt, das gar nichts mit dem Smartphone zu tun hat. Für Ihr Kind dürfte das ziemlich unverständlich sein – der erzieherische Effekt also eher gegen Null tendieren.

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Doch wenn Sie Ihrem Kind das Handy schon wegnehmen, dann versichern Sie ihm wenigstens, dass Sie seine Privatsphäre respektieren und nicht sämtliche Daten durchschnüffeln. Denn das Recht des Kindes auf Privatsphäre ist in der UN-Kinderrechtskonvention verankert: „Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr ausgesetzt werden.“ Auch nicht, wenn es die eigenen Eltern sind.

Fazit: Es gibt kein Gesetz, dass Eltern die Wegnahme des Handys untersagt. Will das Kind sich trotzdem dagegen wehren, muss es sich an Vertrauensperson, eine Familienberatungsstelle oder das Jugendamt wenden. Denn Minderjährige können eine Anwältin bzw. einen Anwalt noch nicht selbst wirksam beauftragen. Deshalb ist es wohl für alle das Beste, in Ruhe miteinander zu reden und den Konflikt kreativer als durch Handyentzug zu lösen. Bleiben Sie auf Augenhöhe mit ihrem Kind – Strafen sind sowieso von vorvorgestern!

*vgl. www.anwaltsauskunft.de: Dürfen Eltern ihrem Kind das Handy wegnehmen?

#erziehung #familie #smartphone

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Michael
3 Jahre zuvor

Alkohol und Pornos überlassen wir doch auch nicht Minderjährigen – wer kam eigentlich auf die bekloppte Idee, dass ausgerechnet Smartphones nun kindertauglich sein könnten? Auch nur „zeitweise“? In dem Rahmen, wie irgendein Honk das für „angemessen“ hält? Wie viel Pornos, Alkohol und Zigaretten sind denn für einen 9-Jähringen angemessen? Richtig: NULL. Und beim Smartphone ist es dasselbe: Die richtige Menge ist NULL. Es gibt auch kein „Recht“, erst recht kein „Menschenrecht“ auf Smartphones. Kinder sind kleine verkleinerten Erwachsenen, sondern nunmal Kinder. Es ist entsetzlich, wie verantwortlungslos sich viele Eltern verhalten, wenn sie ihr Kind am Handy verwahrlosen lassen. Und alles… Weiterlesen »

Michael
3 Jahre zuvor

Alkohol und Pornos überlassen wir doch auch nicht Minderjährigen – wer kam eigentlich auf die bekloppte Idee, dass ausgerechnet Smartphones nun kindertauglich sein könnten? Auch nur “zeitweise”? In dem Rahmen, wie irgendein Honk das für “angemessen” hält? Wie viel Pornos, Alkohol und Zigaretten sind denn für einen 9-Jähringen angemessen? Richtig: NULL. Und beim Smartphone ist es dasselbe: Die richtige Menge ist NULL. Es gibt auch kein “Recht”, erst recht kein “Menschenrecht” auf Smartphones. Kinder sind keine verkleinerten Erwachsenen, sondern nunmal Kinder. Und nein, wir begegnen Kindern NICHT auf Augenhöhe, sondern mit rund 20 Jahren Lebenserfahrung Vorsprung. Verantwortliches Handeln ist eben… Weiterlesen »

Michael
3 Jahre zuvor

Ah, ich kann mich gar nicht beruhigen: „Es kann sogar zulässig sein, das Handy über einen längeren Zeitraum jeden Abend zu einer bestimmten Zeit einziehen, z.B. damit das Kind ausreichend Schlaf bekommt.“ Ja, hallo? Jemand zu Hause? Ich versichere Ihnen was: „Es kann sogar zulässig sein, mit dem Kind Canasta zu spielen, mit ihm zu basteln oder einfach nur zu plaudern, damit das Kind ausreichend echte menschliche Nähe bekommt.“ Oh lieber Gott… was ist hier nur los? Bitte, lass mich ganz schnell ohnmächtig werden. Oder nein, besser: Rette unsere Kinder vor diesen Zombie-Eltern! Liebe Leser, bitte sehen Sie mir den… Weiterlesen »

geschrieben von: Eva Schwarz

Als Volljuristin und Mitinhaberin einer Text- und Internetagentur ist der Weg zum Medienrecht recht kurz. Das 2021 erworbene Hochschulzertifikat "Internet- und Medienrecht" teert diesen Weg mit neuesten Kenntnissen in einem dynamischen Rechtsgebiet. Die gewaltfreie Kommunikation schätzt die zertifizierte Konfliktcoachin als neuen Weg für mehr Empathie und friedliches Miteinander auch in der digitalen Welt.

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