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Ratgeber Lokalisierung

Wahrscheinlich haben Sie sich auch schon bei dem Gedanken ertappt, dass es in mancher Situation eine große Beruhigung sein kann, Ihr Kind über sein Handy zu orten. Das klingt verlockend nach „Nervenschonen“, keine Sorgen mehr, wo das verspätete Kind steckt. Aber Lokalisierungsdaten sind nicht nur für die Eltern Heranwachsender interessant. Und davon erzeugen wir auf unterschiedliche Weise – oft ohne es zu merken – tagtäglich eine ganze Menge. Deshalb ist es gut zu wissen, über welche Kanäle wir lokalisierbar sind.

Wie navigieren wir durch unser digitales Leben?

Niemals spurlos

Jedes Handy erzeugt ständig Datenspuren, bei der Nutzung von Internet und Apps, bei der Navigation oder beim WhatsApp-Chat. Manchmal nehmen wir das bewusst für unsere Bequemlich- und Geselligkeit oder unseren Spielspaß in Kauf, manchmal wissen wir nicht einmal davon. Eins ist sicher: Sollten Sie jemals spurlos verschwinden wollen, sollten Sie sich vorher von Ihrem Smartphone trennen – denn im Grunde reicht es schon, wenn Sie Ihr Handy eingeschaltet in der Hosentasche haben. Sie kennen das sicher aus unzähligen Krimis: Je höher die Dichte der Funkmasten, umso genauer ist ein Handy zu orten – vorausgesetzt, man hat Zugriff auf diese Daten. Sie können aber auch GPS-Daten und das WLAN-Netzwerk, in das ein Gerät eingewählt ist, nutzen, um ein Handy ausfindig zu machen.

Das klingt Ihnen alles zu sehr nach Räuberpistole? Ist aber schon lange Realität. Versuchen wir also aufzudröseln, wie Handys Spuren hinterlassen:

Ortung über GSM (global systems for mobile communications)

Jedes Handy registriert sich bei der Netzeinwahl automatisch in Funkzellen des Netzbetreibers. Für die Ortung ist die IMEI-Nummer ( International-Mobile-Equipment-Identity-Nummer) notwendig. Damit kann beim Mobilfunkprovider die Zelle erfragt werden, in der das Handy momentan eingebucht ist, beziehungsweise zuletzt eingebucht war. Ist das Gerät im Bereitschaftsbetrieb kann die location area ermittelt werden – ein ungefährer aktueller Aufenthaltsbereich eines Handys im Mobilfunknetz. Die Größe einer location area variiert und bestimmt sich über die Netzdichte, das Gesprächs- und Datenaufkommen und die Konfiguration des Netzbetreibers. Eine genauere Ortung ist durch den Aufbau einer Verbindung durch einen Anruf oder den Versand einer SMS möglich.

Die gute Nachricht: Es ist nicht so einfach, Zugriff auf die Daten zu bekommen. Laut Gesetz ist die Funkzellenabfrage den Ermittlungsbehörden vorbehalten, die dafür einen richterlichen Beschluss brauchen. Allerdings gibt es diverse Anbieter, die das Tracking von Handys, die vorher angemeldet wurden, über GSM ermöglichen.

GPS: Nicht nur finden, sondern auch gefunden werden

GPS (Global Positioning System) ist eine tolle Erfindung, die nicht nur die Nerven verzweifelter Großstadtbewohner bei der Autofahrt schont, sondern auch jede Adresse in der Einöde auffindbar macht. Was als Technik für das Militär begonnen hat, ist längst auf fast jedem mobilen Gerät installiert. GPS funktioniert über Satelliten und nur dann, wenn der Dienst auf dem Gerät eingeschaltet ist. Insofern können Sie der Ortung über GPS sehr leicht einen Riegel vorschieben – wenn Sie daran denken, es zu deaktivieren. Die Ortung ist bis zu 10 Meter genau möglich. Viele Apps und Service-Angebote für mobile Geräte verwenden unter anderem GPS, um Standorte zu bestimmen.

Handy Finder: Nur praktisch?

Apple und Google, die beiden großen Betriebssystem-Konkurrenten bei mobilen Geräten, bieten ihren User_innen jeweils Handy-Finder an, mit deren Hilfe z.B. ein verloren gegangenes Gerät wiedergefunden werden kann. Diese Handy-Finder ermöglichen die Ortung der beim jeweiligen Account registrierten Geräte. Das trifft auf nahezu 100 % der Handys und Tablets zu, denn für die Installation von Apps aus dem Google Play Store bzw. Apple App Store ist zwingend ein Account notwendig. Sobald Sie sich also mit einem neuen Gerät bei Ihrem Account einloggen, ist dieses automatisch angemeldet. Was als nützliches Werkzeug zum Wiederfinden von Geräten angepriesen wird, macht es allen, die die Zugangsdaten zu einem Account haben, extrem leicht, ein Gerät zu orten.

Aber auch hier gibt es Einschränkungen: Für die Lokalisierung brauchen die Handy-Finder Daten und die erhalten sie über GPS, WLAN und ggf. Funkzellmasten. Auch hier gilt also: Je weniger Funktionen aktiviert sind, umso schwieriger wird die Ortung. Neben den Handy-Findern haben Google und Apple jeweils noch ihre eigenen Spürhunde installiert.

Google Standortverlauf: Durchs Leben navigieren

Google zeichnet schon seit Jahren bei allen Geräten, die mit Android laufen den Standortverlauf auf. Das Problem dabei: Den meisten Nutzer_innen ist das nicht bewusst und sie haben die Aufzeichnung oft ohne es zu wissen gestartet, indem sie die App Google Maps verwendet haben. Ist der Standortverlauf einmal aktiviert, werden die Daten aller Geräte aufgezeichnet, die mit diesem Account verknüpft sind. Ist also das Gerät Ihres Kindes ebenfalls mit Ihrem Account verbunden, dann werden auch dessen Daten aufgezeichnet.

Die Sammlung der umfangreichen Daten geschieht dann unabhängig von der Nutzung von Google Maps. Der Standortverlauf zeichnet alle mit dem Gerät besuchten Orte auf und trägt sie auf einer Landkarte ein. Sie erhalten so ein sehr detailliertes Bewegungsprofil, in dem Sie tagesgenau ablesen könnt, wo Sie waren. Auf der Zeitachse können Sie sich alle Aufenthaltsorte und zurückgelegten Routen des kompletten Aufzeichnungszeitraums ansehen. Google sieht den Nutzen dieser Datensammlung in besseren Suchergebnissen oder automatischen Verkehrsvorhersagen. Einsehbar sind die Daten für alle, die Zugriff auf den Account haben.

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Alle, die sich dadurch ausspioniert fühlen, können dem Spuk aber ein Ende bereiten. Loggen Sie sich dafür in Ihren Google-Account ein und machen Sie unter Persönliche Daten & Privatsphäre den Privatsphärencheck. Hier finden Sie unter anderem einen Schieberegler, über den Sie den Standortverlauf ausschalten können.

Apples wichtige Orte

Wenn Sie glauben, Sie sind mit einem Gerät von Apple vor Ortungen ohne Ihr Zutun gefeit, dann irren Sie sich. Auch Apple bietet Ihnen ein Gedächtnis in Form Ihrer bisherigen Aufenthaltsorte: Bereits mit dem Betriebssystem IOS7 hat Apple 2013 die sogenannten significant locations, oder auf deutsch ‚wichtigen Orte‘ eingeführt. Um auf die standardmäßig gesammelten Lokalisierungsdaten zugreifen zu können, müssen Sie direkt über das jeweilige Gerät gehen – anders als bei Google, wo Sie sich nur in den Account einloggen müssten, egal mit welchem Gerät.

Zugriff auf die wichtige Orte haben Sie beim aktuellen IOS 11 über Datenschutz → Ortungsdienste → Systemdienste → Wichtige Orte. Hier können Sie sowohl Ihre Bewegungshistorie ansehen als auch den Dienst deaktivieren. Sie finden die Städte, die Sie besucht haben, teilweise auch mit genauen Orten bzw. Adressen, die auf einer Karte angezeigt werden. Dazu kommen auch genaue Uhrzeiten. Möchten Sie die bisher aufgezeichneten Daten löschen, müssen Sie am Ende der Liste auf „Verlauf löschen“ klicken.

Ich weiß, wo Du knipst!

Nachdem Sie sich jetzt vielleicht durch die Einstellungen Ihrer Geräte und Accounts gearbeitet haben, in lokalisierten Erinnerungen schwelgen konnten oder sich doch reichlich überwacht fühlen, haben wir noch mehr Lokalisierungsgeschichten für Sie. Wußten Sie, dass viele Handys auch bei Fotos die genauen Geodaten speichern? Unter den sogenannten Exif-Daten, die bei jedem Foto abgespeichert werden, können sich neben Angaben zur Punktdichte o.ä. auch die GPS-Daten des Ortes befinden, an dem das Foto aufgenommen wurde. Bei einem IPhone ist das standardmäßig vorgesehen, bei Android-Geräten hängt das von den Herstellern ab.

Zwar können Sie die gespeicherten Daten nicht ohne weiteres einsehen, es gibt aber Apps, die das ermöglichen. Haben Sie eine solche App installiert, können Sie sich die Geodaten auf einer Landkarte anzeigen lassen. Viele Android-Geräte bieten eine solche Funktion auch in der Galerie an. Dort können Sie sich dann den Ort in Google Maps ausgeben lassen. Darüber hinaus gibt es auch einige Websites, die es Ihnen ermöglichen, die Exif-Daten und damit – wenn vorhanden – auch die Geodaten auszulesen.

Auch hier haben Sie wieder die Möglichkeit, durch das Anpassen der Einstellungen an Ihreem Gerät, das Aufzeichnen der Daten zu verhindern. Bei IOS finden Sie die entsprechende Einstellung wieder unter Datenschutz → Ortungsdienste, dort gibt es auch den Punkt „Kamera“. Bei Android-Geräten öffnen Sie die Kamera-App, wählen Ihre Einstellungen und dann Geolocation bzw. Standortinformationen. Je nach Hersteller sind die werkseitig aktiviert oder deaktiviert.

Nachdem wir uns jetzt ausführlich mit der Datensammelwut von Apple und Google über ihre Betriebssysteme auseinandergesetzt haben, bleiben noch die sozialen Netzwerke und Instant Messenger.

Wer sozial ist, muss sich nicht verstecken – oder doch?

Auch bei diversen sozialen Netzwerken und beliebten Messengern wie WhatsApp können wir mit unseren Aktivitäten Geodaten hinterlassen. Was für das tatsächliche Zusammentreffen an einem verschwiegenen Ort sehr hilfreich sein mag, beinträchtigt in Dauerschleife doch sehr deutlich die Privatsphäre.

Facebook

Fangen wir mit dem Dinosaurier unter den sozialen Netzwerken an: Facebook. Bei jedem Eintrag (Post) mit einem mobilen Gerät in Ihrem Facebook-Profil kann Ihr Standort angezeigt werden. Diese Standortfunktion ist in der Facebook-App in der Standardeinstellung aktiviert. Unterhalb Ihres Posts finden Sie einen kleinen Marker, auf den Sie klicken können, um den Standort anzeigen zu lassen.

Möchten Sie Ihren Aufenthaltsort nicht permanent sichtbar machen, müssen Sie die Funktion aktiv abschalten. Entweder können Sie das für einzelne Posts direkt in der App vornehmen oder Sie gehen grundsätzlicher vor und schalten die Standortfunktion für alle Posts aus. Dafür müssen Sie aber über die Website von Facebook gehen, in der App ist das nicht vorgesehen.

Instagram

Auch Instagram sammelt fleißig Lokalisierungsdaten bei Fotos, die dann auf einer Karte angezeigt werden können. Ob das in Ihrem Account der Fall ist, können Sie überprüfen. Wenn Sie sich in Ihr Profil einloggen, erscheint oberhalb der Foto-Übersicht der allseits bekannte Ortsmarker. Wenn Sie darauf klicken, werden alle gespeicherten Geodaten auf einer Landkarte mit Markern gekennzeichnet. Die Fotos werden nach Orten gruppiert. Über die Bearbeiten-Funktion kann ein Foto oder eine Gruppe von Fotos ausgewählt werden. Entfernen Sie einfach die kleinen Häkchen am Bild und nach einer Abfrage, ob die Geotags tatsächlich entfernt werden sollen, verschwinden sowohl die Lokalisierungsdaten als auch die Bilder aus der Fotokarte.

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Snapchat

Snapchat – das Netzwerk für Freunde des gepflegten Verschwindens – hat seit einiger Zeit auch eine Funktion an Bord, über die der Standort mit anderen Snapchattern geteilt werden kann. Auf der sogenannten Snap Map wird der Standort in Echtzeit angezeigt und das auch noch, wenn Ihr Snap schon längst wieder verschwunden ist, denn der Standort bleibt acht Stunden auf der Karte sichtbar. Anschließend wird der Eintrag auf der Karte gelöscht. Die Position auf der Snap Map wird allen Snapchat-Freunden jedes Mal angezeigt, wenn die App geöffnet wird. Wenn Sie lieber inkognito unterwegs sein möchten, können Sie in den Einstellungen den „Ghost Modus“ aktivieren.

WhatsApp

Und last but not least hat auch WhatsApp im Oktober 2017 seinen Live-Standort ausgerollt. In den Worten von WhatsApp ein großer Fortschritt für unser Sozialleben: „Egal, ob du dich mit Freunden triffst, du nahestehenden Menschen mitteilen möchtest, dass du in Sicherheit bist, oder deinen Weg zur Arbeit teilen möchtest – der Live-Standort ist eine einfache und sichere Methode, anderen Menschen zu zeigen, wo du dich gerade befindest.“ In Sachen Datenschutz verspricht WhatsApp Sicherheit: Dank einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung können Nutzer_innen, selbst festlegen, mit wem sie ihren Standort teilen wollen. Die entsprechende Einstellung finden Sie unter Account → Datenschutz → Live-Standort.

Und zu guter Letzt: Die App-Berechtigungen

Bei der genaueren Beschäftigung mit Lokalisierungsmöglichkeiten durch mobile Geräte wird einem schnell klar, dass ein Handy, wenn wir nicht an etlichen Stellen Riegel vorschieben, ein wahres Spionage-Gerät ist. Vielleicht wird Ihnen bei der Vorstellung, jederzeit geortet werden zu können, auch mulmig, vielleicht ist es Ihnen aber auch eine Beruhigung. Was uns aber alle beunruhigen sollte, ist die Tatsache, dass wir nicht wissen, was mit diesen Daten letztlich passiert. Bisher haben wir uns mit Lokalisierungsfunktionen beschäftigt, die Sie bei entsprechendem Hintergrundwissen auch abschalten können.

Wie sieht es aber mit Daten aus, die über Apps gesammelt werden? Auch hier sind Geodaten durchaus beliebt. Wir empfehlen daher, bei der Installation einer App immer einen kritischen Blick auf die Berechtigungen zu werfen, die verlangt werden. Viele Apps wollen auf den Standort des Handys zugreifen. Das Versprechen, dass damit verbunden ist, heißt in der Regel „Nutzerfreundlichkeit“. Wie soll eine App schließlich die besten Kneipen, Geschäfte oder den nächsten Bankautomaten in der Nähe finden, ohne uns zu lokalisieren? Während der Zugriff auf Ihre GPS-Daten für eine Wetter-App noch sinnvoll sein mag (Sie können natürlich auch händisch Orte eingeben), erschließt sich der Zusammenhang bei einer Taschenlampen-App nicht wirklich. Gerade solche einfachen Umsonst-Apps legen oft den Verdacht nah, dass es in erster Linie um Ihre Daten geht, die gesammelt werden sollen.

Und was hat das mit Medienerziehung zu tun?

Eine ganze Menge: Ein wichtiger Aspekt des Lebens in einer zunehmend digitalen Welt ist die Frage nach der Kontrolle über die persönlichen Daten. Sie müssen nicht gleich an Gewaltverbrechen denken, um es mit einem unguten Gefühl zu betrachten, wenn Ihr Kind ohne viel Aufwand auffindbar ist. Die Frage, wie wir zukünftig Privatsphäre bestimmen wollen, ob, wie und wo es noch private Räume gibt, hängt entscheidend von unserem eigenen Umgang mit unseren Daten ab. Das müssen wir auch mit unseren Kindern diskutieren, denen es als digital natives vielleicht altmodisch vorkommen mag, wenn wir unsere Daten nicht überall in der Welt verteilen wollen. Auch wenn unsere Kinder in Zukunft Privatsphäre vielleicht anders definieren werden, sollten sie wissen, worauf sie sich einlassen. Da ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Ortbarkeit sicher kein schlechter Anfang. Schauen Sie doch mal gemeinsam den Standortverlauf oder die wichtigen Orte Ihres Kindes an. Vielleicht bekommt es dabei auch ein mulmiges Gefühl.

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geschrieben von: Meike Adam

beschäftigt sich seit mahr als 20 Jahren beruflich mit dem Themenkomplex Medien, als Wissenschaftlerin, Webschaffende und medienpädagogische Referentin. Durch zahlreiche Elternabende, Fortbildungen für Lehrer_innen und Unterrichtseinheiten mit SuS weiß sie, wo es brennt. Mit 3 Kindern ist sie zudem alltägliche medienpädagogische Praktikerin.

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