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Challenges total

Immer wieder schwappen Horromeldungen über Challenges in den sozialen Netzwerken in die mediale Berichterstattung. Aktuell steht die Deo-Challenge auf TikTok im Verdacht, für Todesfälle unter Jugendlichen verantwortlich zu sein. Was hat es damit auf sich, und wie können Eltern und Schulen reagieren?

Schafigut mit Krone Einmal König*in sein - die Suche nach Anerkennung treibt Jugendliche an. Foto: pixabay auf pexels

Gerade Jugendliche suchen die Herausforderung, den Kick und blenden dabei oft die möglichen Konsequenzen aus. Die jugendliche Mutprobe, die unter Umständen lebensgefährlich enden kann, ist sicher keine Erfindung der digitalen Welt. Denken Sie nur an die „Chicken run-Challenge“ im James Dean Klassiker „Rebel Without a Cause“ aus dem Jahr 1955, bei der die Beteiligten mit einem Auto auf eine Klippe zu rasen. Wer zuerst aus dem Auto springt, hat verloren. Die Sache wie auch der Film und das Leben James Deans nehmen kein gutes Ende. Die Aufregung um die Jugendkultur der Halbstarken war in den USA der 1950er-Jahren groß.

Geschickt eingehakt

Das Phänomen, dass sich Jugendliche an der sie umgebenden Gesellschaft abarbeiten und sich oft möglichst wirkungsvoll von ihren Eltern abgrenzen möchten, ist geblieben, neu sind die Möglichkeiten der Vernetzung. Die Peer-Group, deren Einfluss im Jugendalter immer weiter wächst, wird damit unüberschaubar groß und für Eltern nur schwer identifizierbar. Der umfangreiche neuronale Umbau in der Pubertät tut sein Übriges, weil – kurz gesagt – Risikoabschätzung, Emotionsregulation und Handlungsplanung erst am Ende des Prozesses entsprechend angepasst werden. Jugendliche zeichnen sich daher oft durch einen Hunger nach menschlicher Verbundenheit und einen Appetit auf Abenteuer aus.

Die Challenges, die immer wieder in den sozialen Netzwerken trenden, setzen hier geschickt an: Zum einen geht es hier darum, „dazuzugehören“, zum anderen versprechen diese Mutproben den erhofften Risiko-Kick. Viele Challenges funktionieren zudem so, dass alle, die sich der Herausforderung gestellt und das natürlich per Video dokumentiert haben, danach andere Personen „nominieren“, die sich ebenfalls der Challenge unterziehen sollen. Dieser Aufforderung zu widerstehen, ist für Jugendliche, die auf der Suche nach Anerkennung sind, kaum möglich.

Durchaus nicht alle Challenges sind potenziell gefährlich. Eine der ersten Challenges, die eine große mediale Aufmerksamkeit erreichen konnte, war die „ALS Ice Bucket Challenge“. Aufgabe war es, sich einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf zu schütten. Immerhin war das ganze eingebettet in eine soziale Aktion: Wer nominiert wurde und auf diese Erfahrung verzichten konnte, sollte stattdessen 100 Euro/US-Dollar an die ALS Association zur Erforschung der Nervenkrankheit ALS spenden. Neben allerhand Unsinn wie der Kulikitaka-Challenge, bei der ein kurzer Tanz aufgeführt wird und dann im Anschluss Kühe erschreckt werden, in dem man auf sie zurennt, gibt es fitnessfördernde „Plank-Challenges“ oder Geschicklichkeitsübungen wie die „Bottle Cap Challenge“.

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Wann wird es gefährlich?

Die Grenze zwischen grobem Unfug und aktiver Selbstgefährdung ist fließend und bei Menschen mit einer hohen Risikobereitschaft ist keineswegs immer eine realitätsangemessene Gefahreneinschätzung gegeben. Riskanter wird es noch bei Jugendlichen in einer Krisensituation, die sich möglichweise mit Lebensmüde-Gedanken beschäftigen oder selbstgefährdendes Verhalten zeigen. Hier ist der Schritt, eine potenziell schädliche Challenge anzunehmen fast schon naheliegend. Auf der anderen Seite kann auch die Illusion der eigenen Unsterblichkeit zu Handlungen mit fatalen Folgen beitragen. Im Zweifel kann es auch eine Mixtur aus beidem sein.

Jüngst stand vor allem die TikTok Deo-Challenge im Fokus, bei der entweder möglichst lange Sprühdeo auf die Haut gesprüht oder die Sprühwolke inhaliert werden soll. Das Einatmen von Deo wird schon seit einiger Zeit unter Jugendlichen praktiziert, um kostengünstig high zu werden. Das inhalierte Butangas kann den Herzmuskel und das Atemzentrum lähmen, akute Erstickung und schwere Leber-, Hirn- oder Nervenschäden können die Folge sein. Mit der aktuellen TikTok-Challenge wird diese potenziell lebensgefährliche Praxis zu einem freshen Abenteuer. Ähnlich riskant sind die „Tide Pod-Challenge“, bei der Tabs mit Flüssig-Waschmittel zerkaut werden oder die „Blackout-Challenge“, deren Ziel es ist durch Strangulation ohnmächtig zu werden.

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Und jetzt…

Wie so oft stehen Sie als Eltern sicher mit großen Augen vor solchen Phänomenen und fragen sich, wie Sie Ihr Kind davor schützen können. Ein erster Reflex könnte es sein, die Nutzung von sozialen Netzwerken möglichst zu verbieten. Tatsächlich ist das aber, wie bei vielen bewahrpädagogischen Aktionen, sicher keine Lösung des Problems. Unsere Botschaft lautet auch hier: Bleiben Sie am Ball, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind und stärken Sie es vor allem darin, Challenges, Hoax und Fakes kritisch zu begegnen. Ermutigen Sie Ihr Kind dazu, nicht teilzunehmen, die Inhalte nicht weiter zu verbreiten und seine Meinung zu gefährlichen oder geschmacklosen Challenges zu sagen.

Aber auch Sie können etwas tun: Begegnen Ihnen selbstgefährdende Challenges, melden Sie diese direkt bei der Plattform und darüber hinaus bei internet-beschwerdestelle.de oder jugendschutz.net. Wenn Sie andere Eltern oder Lehrer*innen davor warnen wollen, posten Sie die Inhalte nicht, damit sie nicht zu einer Weiterverbreitung beitragen. Letztlich bleibt immer wieder die Erkenntnis: Social Media ist das, was wir daraus machen, deshalb sind wir alle gefragt, uns einzumischen.

Achtung: Wir weisen eindringlich darauf hin, dass einige Challenges auf TikTok oder anderen Social-Media-Plattformen – wie beschrieben – gefährlich sind. Bitte nehmen Sie diese Warnung ernst und setzen Sie sich keinerlei Risiken aus, um Trends nachzuahmen.

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geschrieben von: Meike Adam

beschäftigt sich seit mahr als 20 Jahren beruflich mit dem Themenkomplex Medien, als Wissenschaftlerin, Webschaffende und medienpädagogische Referentin. Durch zahlreiche Elternabende, Fortbildungen für Lehrer_innen und Unterrichtseinheiten mit SuS weiß sie, wo es brennt. Mit 3 Kindern ist sie zudem alltägliche medienpädagogische Praktikerin.

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